Gelesen: Ende der Märchenstunde

Heute mal nichts zum Thema Essen, zumindest nicht im engeren Sinne.
Zu Ende gelesen habe ich gerade „Ende der Märchenstunde- Wie die Industrie die LOHAS und Lifestyle-Ökos vereinnahmt“ von  Kathrin Hartmann.

Im Mittelpunkt des Buchs steht, wie schon im Untertitel zu lesen, die kaufkräftige Zielgruppe der Lifestyle-Ökos bzw.  LOHAS.
Die Nachfolger der Ökos der 80er, die eine „grüne“ Denkweise mit bewusstem Konsum und Genuss vereinbaren möchten, die auf nichts verzichten wollen und dann eben mal „ein paar Euro mehr“ ausgeben, um den eigenen Konsum fair, korrekt und umweltverträglich zu gestalten.
Das ungute Gefühl, dass es mit diesen paar Euro mehr eben nicht getan ist, kennen ja sicher die meisten von uns.

Erhofft habe ich mir von der Lektüre Infos und vielleicht auch ein paar Lösungsansätze zum Thema bewusster Konsum.
Auf den ersten Seiten geht es um eigentlich altbekannte Dinge, dass es mit ein paar Cent, die Krombacher pro Kasten Bier für die Rettung des Regenwaldes spendet, nicht getan ist, dürfte wohl klar sein.
Dass die Industrie genau diese Gruppe, die besonders viel Kaufkraft bietet, da meist recht gut situiert und gebildet, im Fokus ihres Marketings hat, ebenfalls. Auch dass das Trinken von Bionade nicht unbedingt zur Verbesserung der Welt beiträgt ist nicht wirklich neu.

Die Autorin rechnet aber gnadenlos und fast schon zornig mit all jenen ab, die denken, dass beispielsweise die Kleidung bei Esprit ganz sicher nicht von Kindern und unter besseren Bedingungen als die von H&M gefertigt wurde oder dass man mit Waschnüssen der Umwelt etwas Gutes tut.

Waschnüsse? Warum soll man mit Waschnüssen nichts Gutes tun?
Durch den Boom der reinigenden Nüsse hier bei uns im Westen sind die Preise für diese in Indien stark gestiegen.
Was zur Folge hat, dass sich indische Frauen die günstigeren Tensidwaschmittel kaufen und damit ihre Wäsche waschen. Leider nicht, wie bei uns üblich, in der Waschmaschine, deren Abwasser in der Kläranlage landet, sondern im Fluss.  Umweltfreundlich?!

Oder dass ein Bio- oder Fairtrade gehandeltes Produkt aus dem Discounter auch nicht unbedingt den gewünschten Effekt bringt, sondern durch den bei Discountern nun mal üblichen Preisdruck genau gegenteilige Auswirkungen haben kann, nämlich die Kleinbauern im Ursprungsland wieder dem gleichen Preisdruck wie vorher auszusetzen, da diese hier wieder mit den großen Plantagen nicht mithalten können.

Wochenendtrip nach Barcelona mit der Billigairline, dafür aber ein schlechtes Gewissen haben. Früherdbeeren (natürlich in Bioqualität) aus Spanien, man gönnt sich ja sonst nichts. Dass dafür der Grundwasserspiegel in Andalusien stetig und bedrohlich sinkt, wird verdrängt.
Und dass Bio eben nicht immer etwas Gutes für die anderen und für die Umwelt bedeutet, sondern oft nur für einen selbst.

Alles in allem fand ich das Buch interessant und sehr leicht und flüssig zu lesen, obwohl man das meiste schon weiß, war auch noch Neues für mich dabei. Zum Beispiel dass die CO2 Bilanz eines deutschen Apfels im März schlechter ist als die eines eingeflogenen aufgrund der notwendigen Lagerung im Kühlhaus. Oder die Sache mit den Waschnüssen, allerdings bin ich auch noch nie auf die Idee gekommen, welche zu verwenden.

Das beste daran ist aber: Es regt an. Zum Nachdenken.
Darüber, dass ein korrekter, nachhaltiger und ökologisch vertretbarer Konsum und Hedonismus ohne Grenzen einfach nicht möglich ist. Obwohl man das ja eigentlich auch schon weiß und sich trotzdem gelegentlich einfach mal wieder bewusst machen muss.
Und dass ein gewisser Verzicht einfach notwendig ist, wenn man sein Konsumverhalten und die eigene Ökobilanz zum Positiven ändern möchte.

Braucht es mehrmals pro Woche Fleisch und Fisch?
Braucht es das 50. Paar Schuhe, den Dritt- und Vierturlaub im Jahr?
Muss es von allem immer so viel und so sorglos sein?

Auch wenn die mir Polemik von Kathrin Hartmann gelegentlich etwas auf die Nerven ging und das Buch viele schon bekannte Faktoren, aber keine Lösungen im eigentlichen Sinne enthält, würde ich es trotzdem jedem uneingeschränkt empfehlen, der sich mit seinem Konsum etwas näher auseinandersetzen möchte.

Wie ich gerade entdeckt habe, betreibt Kathrin Hartmann anscheinend auch einen Blog, gelegentlich werde ich sicher hier auch mal vorbeischauen.

Und am Wochenende gibt es auch wieder was zu essen, versprochen 🙂

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3 Kommentare zu Gelesen: Ende der Märchenstunde

  1. Gisa sagt:

    Hallo Britta,
    das macht mich auch traurig und wütend, dass selbst etwas so ehrenwertes wie die ‚Bio‘-Bewegung für Marketingzwecke missbraucht wird. (Und dass das auch noch funktioniert!!)
    Manchmal tut es dann ganz schön gut zu sehen, dass in der Food-Blogger-Szene an vielen Ecken und Enden ein ganz anderes Bewusstsein herrscht: Ich gebe zu, ich habe fast vor Rührung geheult, als ich Katharina Seisers Post ‚0,007 prozent‘ über ein gutes Beispiel von Tierhaltung gelesen habe.
    Ich selbst ertappe mich des öfteren dabei, wie mein innerer Sparschweinehund die Einkäufe bestimmen will. Aber es ist gut, sich immer wieder daran zu erinnern, dass man das nicht mehr mitmachen will. Danke für die Erinnerung!
    Liebe Grüsse, Gisa

  2. Heike sagt:

    Das Gutmenschgefühl kann man sich wirklich nicht mit ein paar Euro mehr erkaufen. Gut dein Hinweis auf das Konsumverhalten im allgemeinen. Verzicht hier kann eben doch zum Mehr woanders, wo nötiger, führen.

  3. Britta sagt:

    @Heike: Ja, das geht eben nicht und der Zorn der Autorin richtet sich auch genau gegen diejenigen, die sich dadurch auch noch über andere stellen, als etwas Besseres fühlen und doch irgendwie nichts getan haben.

    @Gisa:
    Schön dass du wieder da bist!! Ich hoffe es geht dir wieder gut?

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